Interview mit BDU-Geschäftsführer Christoph Weyrather

Entwicklungen und Trends in der Beratungsbranche

Der mittelständisch geprägte deutsche Beratungsmarkt zählt seit jeher weltweit zu den bedeutendsten und größten. IN.PUNCTO sprach mit Christoph Weyrather, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU), über Trends und Entwicklungen in der Branche.

Christoph Weyrather
Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU)

Wie war die wirtschaftliche Entwicklung auf dem deutschen Beratungsmarkt in den vergangenen Jahren?

Von 2010 bis 2020 hatte sich das Volumen des Beratungsmarkts in Deutschland von 19 Mrd. € auf 36,2 Mrd. € fast verdoppelt. Im Durchschnitt betrug das jährliche Wachstum rund 7,3 %. Die Probleme der Pandemie gingen auch an unserer Branche nicht ganz vorbei, obwohl viele Aufgaben online bearbeitet werden können und viele Unternehmen in der problematischen Situation auf Beratung angewiesen waren.
 

Wie waren die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Beratungsbranche?

Der Rückgang von 3,2 % fiel 2020 moderater aus als erwartet. Der Geschäftsklima-Index der Branche war im März 2020 von 100,3 auf 70,4 abgestürzt und hat sich dann im Laufe von Sommer / Herbst 2020 wieder auf 94,5 heraufgearbeitet. Wegen der unklaren wirtschaftlichen Entwicklung vieler Branchen, wurden Projekte oft erstmal auf „hold“ gestellt. Die Entwicklung und Akquisition von neuen Projekten ist ohne Präsenztermine nicht leicht. Die Umsetzung von vielen Projekten konnte digital realisiert werden. Da aber auch die Mitarbeiter der Kunden nur online miteinander kommuniziert haben, war die Entscheidungsfindung oft „mühsam“. Andere Projekte, für die Beraterinnen und Berater mit den Mitarbeitenden der Kunden zusammentreffen müssen, waren während des Lockdowns nicht durchführbar.


Wie hat sich die Beschäftigungssituation entwickelt?

Im Sommer 2021 haben 57 % der Befragten gemeldet, dass ihre Geschäftslage sehr positiv (über Budget) ist und genauso viele gehen davon aus, dass sie in den nächsten drei Monaten noch günstiger wird. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von 9 % erwartet.
 

Welche Rolle spielt das Thema „New Work“ in der Beratungsbranche?

Wenn man unter „New Work“ eine bestimmte Art der Arbeit sieht, die die Mitarbeitenden als sinnvoll ansehen und auch wirklich erledigen wollen, dann gab es das bei Unternehmensberatungen eigentlich schon immer. Die als Berater tätigen Mitarbeiter konnten gewöhnlich ihren Beitrag zum Gesamtwerk immer schon sehr deutlich sehen und haben meist sehr verantwortungsvolle Aufgaben wahrgenommen. Das hat andererseits aber auch dazu geführt, dass viele Mitarbeitenden sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sehr viel Zeit in die gestellten Aufgaben investieren. Zusätzlich investieren sie in Weiterbildung und Networking. Ein 6-Stunden-Tag, wie ihn sich die „New-Work-Szene“ vorstellt, klappt meist nicht. Aber Auszeiten (Sabbaticals) von z. B. 2 Monaten pro Jahr sind aufgrund der Projektstrukturen oft denkbar.

Wie beurteilen Sie den Digitalisierungsgrad in der Beratungsbranche und ist Remote Work ein Trend?

Die IT- und Kommunikationsausstattung der Mitarbeitenden in der Beratungsbranche war schon lange vorbildlich, denn sie müssen selbstverständlich von unterwegs und beim Kunden arbeitsfähig sein. Meist waren auch schon die Arbeitsplätze der Büroassistenz mobil. Es zeigt sich, dass auch Kunden mehr Online- Beratung akzeptieren und nicht erwarten, dass die Beratenden immer in den Büros und Produktionsstätten der Kunden vor Ort sein müssen. Dies erhöht die Produktivität der Projekte für die Beratungen und für die Kunden. Die Beratungsunternehmen waren schon immer sehr aktiv, was die Digitalisierung der eigenen Prozesse betrifft. Es wurden Wissensmanagement- Systeme eingerichtet sowie Financing- Modelling-Tools zur Unterstützung von Planungen etc. (jenseits von Excel) sowie für Präsentationen eingesetzt. Wir sind gespannt, wann es einsetzbare Angebote gibt, bei denen Unternehmensberatungsleistungen durch künstliche Intelligenz ergänzt werden können.


Wie hoch ist der Anteil an weiblichen Consultants?

Bei den Junior-Consultants sind oft mehr weibliche Beraterinnen als männliche Berater. Leider nimmt diese Quote im Laufe der Karriere bei den Beratungsunternehmen deutlich ab und in den Führungsetagen findet man nur wenige Beraterinnen. Warum das so ist, kann man zurzeit nur vermuten. Der BDU führt aber aktuell eine Studie durch, bei der sowohl die Unternehmen als auch die Berater und Beraterinnen direkt befragt werden. Wir hoffen dadurch Erkenntnisse zu erhalten, was in den Beratungsunternehmen verändert werden sollte, damit mehr Beraterinnen an Bord bleiben.

Welche Beratungsfelder stehen aktuell im Vordergrund?


Organsiations- und Prozessberatung hat nach wie vor den höchsten Anteil am Beratungsvolumen (44%). Es folgt die Strategieberatung und die IT-Beratung. Im Prinzip sind die Bereiche eng verzahnt. So werden aktuell viele Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt, was sich auf Strategie, Organisation und IT deutlich auswirkt.
 

Wie ist die Situation im Bereich der Sanierungs- und Insolvenzberatung?

Allgemein wurde erwartet, dass aufgrund der Pandemie viele Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen und auf Sanierungsberatung zurückgreifen müssen. Tatsächlich wurden Unternehmen in Deutschland umfänglich durch staatliche Mittel unterstützt, so dass es aktuell nur wenige Krisenfälle gibt. Auch die Neueinführung des StaRUG, das zur Erleichterung der Restrukturierung von Unternehmen gedacht ist, hat nicht den großen Schub für Sanierungsberatungen gebracht. Zum Glück sind Sanierungsberatungen vielseitig einsetzbar und können jetzt bei der strategischen Anpassung von Geschäftsmodellen zum Einsatz kommen.


Wie ist die Entwicklung in den Klientenbranchen der Berater?


Mit einem Umsatzplus von 8,0 % steht die Energiewirtschaft im Jahr 2020 an der Spitze der Umsatztreiber in der Consultingbranche, gefolgt von der TIMES-Branche (+ 5,5 %) und erneut dem Handel (+2,5 %). Diese Kundenbranchen konnten den deutlichen Nachfragerückgang aus den besonders hart von der Corona-Pandemie betroffenen Wirtschaftsbereichen teilweise kompensieren. Immer dann, wenn eine ganze Branche vor größeren Veränderungen steht oder wie in der aktuellen Coronakrise schnell auf unerwartete Veränderungen reagieren muss, sind Consultants gefragt. Die Energiewirtschaft stand auch schon vor der Coronakrise vor großen strukturellen Herausforderungen. Themen wie Elektromobilität, die Verteilung und Steuerung des Stroms oder der Wunsch nach einer nachhaltigen Energieversorgung aufgrund des steigenden Umweltbewusstseins sind aktuell für den gestiegenen Einsatz von Management und IT-Beratern verantwortlich. In drei Klientenbranchen war der Umsatzrückgang im vergangenen Jahr zweistellig. Mit einem Minus von 28 % fiel der Rückgang im vergangenen Jahr, wie eigentlich zu erwarten, am höchsten im Bereich Verkehr und Gastgewerbe aus.

Inwieweit unterscheidet sich der deutsche Beratungsmarkt von anderen internationalen Märkten?

Da es in Deutschland sehr viele mittelständische Unternehmen gibt, verfügen wir auch über viele mittelständische Beratungsunternehmen. Dadurch ist z. B. der BDU weltweit der größte Verband von Beratungsunternehmen. Die englischen und französischen Verbände haben deutlich weniger Mitglieder. Andererseits sind viele deutsche Beratungsunternehmen nur national tätig und arbeiten nicht für internationale Kunden. Die großen Strategieberatungen sind mit Ausnahme von Roland Berger alle in anderen Ländern entstanden.
 

Wie sind die kurz- und mittelfristigen Aussichten für die Branche?

Die Aussichten sind nach wie vor sehr gut, wenn es gelingt, weiterhin gute Talente für die Arbeit in der Branche zu gewinnen. Bei vielen Beratungsunternehmen sind nicht die Aufträge die begrenzende Größe, sondern die Mitarbeiterkapazitäten. Eine weitere Steigerung der Produktivität der Mitarbeitenden (beispielsweise durch weniger Reisezeiten) kommt letzten Endes den Kunden sehr zugute.
 

Thorsten Holland über Digitalisierung im Beratungsprozess bei Angermann Consult

Thorsten Holland
Geschäftsführender Partner Angermann Consult GmbH

Das Angebot auch zum mobilen Arbeiten im Homeoffice ist sicherlich eine durch die Corona Zeit verstärkte Entwicklung bei Angermann Consult. War mobiles Arbeiten beim Mandanten oder unterwegs sowohl vom Beratungsprozess als auch von der Ausstattung mit Laptop und Smartphone sowie sicherem Netzwerk- und Datenzugang gelebte Praxis, so bieten wir nun auch für die Bürotage die Alternative, teilweise mobil im Homeoffice zu arbeiten. Die Auswahl von Softwareanwendungen für z. B. Präsentationserstellung, Datenrecherche und -analyse aber auch Financial Modelling und Reporting erhöhen die Digitalisierung im Beratungsprozess. Waren Kundentermine vor Ort während der Corona Zeit häufig nicht möglich oder gewünscht, so zeigt sich für uns nun in laufenden Projekten, dass diese insbesondere in bekanntem Kundenumfeld auch digital durchgeführt werden können. Dies reduziert Reisezeiten und damit Kosten. Andererseits hat uns die Corona-Abstinenz beim Mandanten verdeutlicht, dass der persönliche Kontakt weiterhin notwendig, hilfreich und auch gewünscht ist.

Thorsten Holland ist Geschäftsführender Partner der Angermann Consult GmbH und Mitglied im BDU-Fachverband Sanierungs- und Insolvenzberatung
 

DER BDU

Im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e. V. sind aktuell rund 550 Unternehmen aus der Management-, Personal sowie IT- Beratungsbranche organisiert. Mit diesen Mitgliedsunternehmen vertritt der Verband etwa 15.000 Berater in Deutschland. Damit zählt der BDU weltweit zu den drei führenden Wirtschafts- und Berufsverbänden der Consultingwirtschaft.

www.bdu.de
 

Weitere Artikel

  • Consult | 18.02.2021
    Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

    Ein neues Instrument der Sanierungsberatung

    Angermann Consult veröffentlicht Informationsblatt zum neuen Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG).