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Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen BDU e.V.

Karriere im Consulting

Interview mit BDU-Geschäftsführer Christoph Weyrather und BDU-Projektleiterin Stefanie Reinartz über Recruiting, Perspektiven, Arbeitgeberanforderungen, Bewerberwünsche und Netzwerken.

Wie hoch ist das Interesse an einen Berufseinstieg im Consulting?

Christoph Weyrather: Vor der Jahrtausendwende stand der Einstieg in die Beratung an erster Stelle für die jungen Akademiker. Dann kam die Dotcom Zeit und alle woll-ten in die sehr aufstrebenden jungen Technologieunternehmen. Später haben Ban-ken und Industrie aufgeholt und mit langfristigen Perspektiven an festen Arbeitsorten gepunktet. Jetzt kommt die Beratung wieder in den Fokus, weil die Zeiten des „aus dem Koffer leben“ vorbei sind. Insbesondere unter Studierenden, die bereits erste praktische Erfahrungen im Consultingkontext sammeln konnten, sei es durch Prakti-ka, Werkstudententätigkeiten oder das Engagement in studentischen Unterneh-mensberatungen, ist das Interesse an einem Berufseinstieg in der Branche wieder sehr hoch. In einer Kooperationsstudie mit den Dachverbänden studentischer Unter-nehmensberatungen, dem BDSU und dem JCNetwork, gaben 97% der Teilnehmen-den an, dass sie sich einen Einstieg im Consulting vorstellen können. 

Warum ist der Beruf als Unternehmensberater für junge Menschen attraktiv?

Stefanie Reinartz: Abwechslungsreiche Tätigkeiten und Impact sind die Top-Gründe für einen Berufseinstieg ins Consulting. So ist es insbesondere die abwechslungsrei-che Arbeit in wechselnden Projektteams, verbunden mit der Möglichkeit, Verände-rungen und Innovationen zu bewirken und zu begleiten, die junge Menschen am Consultingberuf reizt. Das immer noch überdurchschnittliche Einstiegsgehalt im Ver-gleich zu anderen Branchen ist weniger ausschlaggebend für die Attraktivität des Berufs.
Mit vielen verschiedenen Persönlichkeitstypen und in interdisziplinären Teams in viel-fältigen Projekten zusammenzuarbeiten, kreative Methoden und Lösungsansätze zu entwickeln und den eigenen Wissens- und Erfahrungsschatz kontinuierlich zu erwei-tern sind unschätzbare Mehrwerte, die den Consultingberuf zu etwas Besonderem machen.
 

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Welche Kriterien sind bei der Arbeitgeberwahl entscheidend?

Stefanie Reinartz: Liegen mehrere Vertragsangebote vor, machen vor allem die in Aussicht gestellten Karriereperspektiven und Weiterbildungsangebote den entschei-denden Unterschied. Ähneln sich diese, sind die Entgelthöhe und die zusätzlich ge-währten Nebenleistungen sowie ein gutes Bauchgefühl ausschlaggebend.

Inwieweit bietet das Consulting ein Karrieresprungbrett in andere Branchen?

Christoph Weyrather: Consultants durchlaufen von Beginn an eine steile Lernkurve und erwerben Kompetenzen und Kenntnisse, die branchenübergreifend gefragt und vielseitig einsetzbar sind. Zudem ermöglicht eine Tätigkeit im Consulting nicht nur Einblicke in verschiedene Branchen und Geschäftsmodelle, sondern auch den Aus-bau des persönlichen Kontaktnetzwerks. Es ist bekannt, dass Unternehmensbera-tungen bei der Auswahl anspruchsvoll sind und somit sind mehrere Jahre Beratungs-erfahrung im Lebenslauf eine echte Empfehlung auch für Führungsaufgaben im In-dustrie- und Dienstleistungsbereich. In der Kooperationsstudie mit den studentischen Verbänden gab etwa jeder dritte an, einen Einstieg ins Consulting als Karriere-sprungbrett in andere Branchen zu betrachten. 
 

Christoph Weyrather
Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen BDU e.V.

Welche Voraussetzungen sollten Bewerber erfüllen?

Christoph Weyrather: Bewerber und Bewerberinnen müssen vor allen Dingen „neu-gierig sein“. Sie müssen sich ja in der Unternehmensberatung nicht nur immer wieder unter neuen Rahmenbedingungen zurechtfinden, sondern wirklich Spaß daran ha-ben, Dingen auf den Grund zu gehen, Situationen zu hinterfragen und Zusammen-hänge zu verstehen. Wer nur ein „Pflichtprogramm“ abspulen will, wird in unserer Branche nicht glücklich. Im „Personalerdeutsch“ heißt das „sehr gute fachliche und soziale Fähigkeiten, eine konzeptionelle und analytische Stärke, Digitalkompetenz, eine hohe Lernbereitschaft sowie ein hohes Verantwortungsbewusstsein und Eigen-initiative“. Außerdem sollten Sie vor allem Persönlichkeit, Empathie und Resilienz be-sitzen. 


Wie ist die Erwartungshaltung bei den Einstiegsgehältern?

Stefanie Reinartz: Die Erwartungshaltung in Bezug auf das Brutto-Festgehalt über-steigt leider oftmals deutlich die Höhe der in der Branche möglichen Einstiegsgehäl-ter. Dies mag u.a. daran liegen, dass die Vergütungsstruktur bestehend aus den Elementen Brutto-Festgehalt, Bonuszahlungen und Nebenleistungen vielen Nach-wuchskräften nicht bewusst ist. In der Kooperationsstudie mit den studentischen Verbänden gab etwa jeder dritte an, ein Brutto-Festgehalt von mehr als 60.000 Euro zu erwarten. Das durchschnittliche Brutto-Festgehalt im Consultingmarkt liegt für ei-ne Einstiegsposition für Hochschulabsolventen mit Diplom, Master und/oder Promoti-on bei 54.000 Euro.
 

Welche Gehaltsnebenleistungen sind dem Beraternachwuchs wichtig?

Stefanie Reinartz: Am wichtigsten sind dem Beratungsnachwuchs Weiterbildungsan-gebote, z.B. auch in Form von Zuschüssen zu (privaten) Weiter-/Zusatzausbildungen, gefolgt von Mobilitätsangeboten und betrieblicher Altersvorsor-ge. Darüber hinaus wurden in Gesprächen mit Studierenden auch zusätzlich gewähr-te Urlaubstage, z.B. Heiligabend, Silvester als attraktive Nebenleistungen genannt.

Was ist für die Attraktivität des Unternehmensstandortes wichtig?

Christoph Weyrather: Eigentlich sollte der Sitz des Beratungsunternehmens heute gar keine große Rolle mehr spielen, da ohnehin oft beim Kunden oder mobil gearbei-tet wird. Dennoch haben die Studierenden in unserer Studie die Anbindung an den ÖPNV als wichtiges Kriterium angegeben. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass Nachhaltigkeit für viele junge Talente ein wichtiges, ernstzunehmendes Thema ist. Abstellmöglichkeiten für Fahrräder wurden als wichtiger bewertet als vorhandene Parkplätze oder Ladestationen für E-Mobile. Ebenfalls als sehr wichtig für die Attrak-tivität wurden eine Kantine/Cafeteria im Gebäude sowie Restaurants in der Nähe beurteilt.  

Stefanie Reinartz
Projektleiterin beim Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen BDU e.V.

Welche Rollen spielen Homeofficeangebot und flexible Arbeitszeiten für Bewerber?

Stefanie Reinartz: Ohne Homeoffice Angebot und flexible Arbeitszeiten geht heute im Recruiting gar nichts mehr, zumindest nicht in den Berufen, in denen dies grundsätzlich möglich ist. Der Beratungsnachwuchs ist sich allerdings den Eigenheiten des Projektgeschäfts und der Abhängigkeit von Kundenanforderungen bewusst, sodass durchaus die Einsicht besteht, dass Arbeitsorte und Arbeitszeiten nicht immer flexibel gestaltbar sind. Dennoch besteht der Wunsch, an mindestens einem Tag pro Woche im Homeoffice zu arbeiten. Ein aktuelles Stimmungsbild zeigt, dass nach den erlebten Einschränkungen durch die Corona-Pandemie die Arbeit aus dem zukünftigen Unternehmensoffice an zwei Tagen pro Woche sowie im selben Umfang bei Kunden vor Ort bevorzugt wird.

Wie wichtig sind Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und Netzwerken?

Stefanie Reinartz: Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und Netzwerken sind super wichtig. Immer mehr Studierende nutzen bereits vor ihrem Abschluss verschiedene Anlässe, um sich zu vernetzen. Sowohl mit Gleichgesinnten als auch mit praxiserfahrenen Consultants und/oder Personalverantwortlichen. Nach dem Berufseinstieg gilt es, den Netzwerkgedanken fortzuführen und sich sowohl innerhalb des Unternehmens als auch mit Kunden und Geschäftspartnern fleißig zu vernetzen. Hierfür sollte den Mitarbeitenden in jedem Fall unternehmensseitig Zeit und Raum gewährt werden. Ein starkes, gepflegtes Netzwerk hat auch für den Arbeitgeber einen enormen Wert. Außerdem ist die Möglichkeit zum persönlichen Austausch und Netzwerken für Beschäftigte der größte Treiber für eine Anwesenheit im Unternehmensoffice.

Wie wird die vermehrte Virtualisierung von Beratungsprojekten in der Branche bewertet?

Stefanie Reinartz: Studierende bewerten die vermehrte Virtualisierung von Bera-tungsprojekten überwiegend positiv. So nehmen 73% der Studierenden an, dass sich Beratungsleistungen ohne größere Einschränkungen virtuell durchführen lassen. Zweidrittel sehen sogar die Chance, durch die virtuelle Projektdurchführung, Projekt-laufzeiten zu verkürzen. Allerdings glauben die wenigsten, dass virtuell aufgebaute Beziehungen genauso vertrauensvoll und belastbar sind wie persönlich geknüpfte Kontakte.

Welche Voraussetzungen müssen Unternehmensberatungen erfüllen, um im Kampf um die besten Talente konkurrenzfähig zu sein?

Stefanie Reinartz: Um konkurrenzfähig zu sein, muss der Individualität der Kandida-ten und Kandidatinnen Rechnung getragen werden. Unterschiedliche Bedürfnisse führen zu unterschiedlichen Bewertungen hinsichtlich der Attraktivität einzelner Be-nefits. Die meisten Benefits gehören ohnehin unlängst zum Standard-Repertoire, so-dass hierüber kaum noch eine Differenzierung möglich ist. Unternehmensberatungen können mit ihrer Kultur überzeugen und dazu müssen sie vor allem eins: glaubwür-dig, authentisch und stringent im Auftreten sein: Sowohl im Rahmen der Internetprä-senz als auch auf Karrieremessen und in Gesprächen mit möglichen Kandidaten und Kandidatinnen. Leere Versprechungen, allgemeine Floskeln und das Zurückhalten von unangenehmen Wahrheiten sind absolute No-Gos. 

Welche Trümpfe haben große Beratungsunternehmen und womit punkten klei-nere und mittlere Beratungsunternehmen?

Christoph Weyrather: Das lässt sich nicht pauschalisieren, denn was auf ein Bera-tungsunternehmen einer Größenordnung zutrifft, muss noch lange nicht für andere Beratungen der gleichen Größe gelten. Leider kursieren diesbezüglich viele Vorurtei-le am Markt und auch in den Köpfen der Studierenden. Diese assoziieren mit großen Beratungsunternehmen z.B. automatisch mehr Entwicklungs-/ Weiterbildungsmög-lichkeiten, Projekte mit mehr Impact oder ein geeignetes Karrieresprungbrett für Ma-nagementfunktionen in anderen Branchen. Es gibt jedoch sehr viele mittelgroße Be-ratungen, die bedeutungsvolle Projekte für namhafte Kunden abwickeln und ihre Mit-arbeitenden fortlaufend weiterbilden. Besonders die Mittelgroßen setzen darauf, dass ihre Unternehmensberater/innen lange bleiben und die Zeit im Unternehmen nicht allein als Sprungbrett sehen. Es gibt viele Beispiele, dass man den Beruf auch bis ins Rentenalter ausführen kann.
 

Wie ist die Branche aus Sicht des BDU beim Recruiting aufgestellt?

Stefanie Reinartz: Die Branche ist aus unserer Sicht im Recruiting gut aufgestellt. Zum einen nutzen die Beratungsunternehmen alle denkbaren Recruitingkanäle und Anlässe, zum anderen haben sie die Möglichkeit, individuelle Angebotspakete zu schnüren, die den Bedürfnissen von Kandidaten und Kandidatinnen entgegenkommen. Die Beratungen haben erkannt, dass sie potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen von sich überzeugen müssen, um diese für sich zu gewinnen. Dementsprechend werden Karrierebereiche auf Unternehmenswebseiten immer weiter optimiert und mit neuen, nutzerfreundlichen Angeboten ausgebaut. Dabei lassen sich die Unternehmen einiges einfallen, um über Videos, Storytelling, Model Cases u.v.m. umfassende und transparente Einblicke zu gewähren.

Bietet der BDU seinen Mitgliedern Unterstützung, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden?

Christoph Weyrather: Der BDU pflegt langjährige Kooperationen mit den Verbänden studentischer Unternehmensberatungen und macht sich mit diesen gemeinsam für ein positives Image der Branche sowie des Beratungsberufs stark. Hierzu werden gemeinsame Veranstaltungen organisiert, die den Studierenden aufzeigen, dass es nicht nur „DIE“ Beratung, sondern durch verschiedene Beratungsfelder und Spezialisierungen vielfältige Möglichkeiten und Berufsperspektiven gibt. Darüber hat der BDU einen Arbeitgeberkodex entwickelt, welchem sich viele BDU-Mitgliedsunternehmen freiwillig unterwerfen. Dieser enthält neun griffige Punkte für eine nachhaltige Mitarbeiterpolitik im Consulting. Es gibt eine „Karriere-Seite“ beim BDU im Web auf der künftig auch ein Stellenmarkt eingebunden sein wird. Es geht nicht nur um Berufseinsteiger, denn die Branche ist auch sehr an Menschen interessiert, die bereits ein Berufsleben vor der Beratung hatten, weil sie viel Erfahrung mitbringen, die in Beratungssituationen wichtig ist. 

Vor welchen Herausforderungen steht die Beraterbranche, um auch zukünftig junge Talente für den Beruf zu begeistern?

Stefanie Reinartz: Junge Talente haben ein ausgeprägtes Nachhaltigkeitsbewusst-sein, welches sie sowohl von ihrem potenziellen Arbeitgeber erwarten, aber auch in Bezug auf Kunden anwenden möchten. Viele junge Talente wollen etwas Bewirken und durch ihr Wirken einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt ausüben.

Wie groß ist der Fachkräftemangel im Beratungssektor?

Christoph Weyrather: Die Branche hat ihren Umsatz in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt und die Dienstleistung ist sehr personalintensiv. Eine Skalierung über Ma-schinen ist nicht möglich. Der Beratungsbedarf steigt auch weiter, weil die Welt im-mer komplexer wird und Menschen gebraucht werden, die Unternehmen Lösungen für komplexe Problemstellungen erarbeiten können. Die Branche braucht Fachleute in wachsendem Ausmaß und der Wettbewerb um gute Talente ist groß. Die Branche bietet sichere, finanziell attraktive und wirklich interessante Arbeitsplätze. Trotzdem ist die Suche nach Mitarbeitenden vielfach schon deutlich aufwändiger, als die Akqui-sition von Beratungsprojekten.

 

 

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